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Etappe 5: Ponte de Lima - Tui 36 Kilometer

oder: Nur ein Katzensprung ;-)

Etwas später als sonst, starteten wir von Ponte de Lima. Die Wege waren vom ganzen Regen matschig und aufgeweicht, aber es regnete nicht mehr. Es ging über schmale Steinwege neben kleinen Flüsschen her, durch Felder und Wälder. Frank und ich hatten zwischendurch immer mal wieder gute Gespräche, so wie in den vorherigen Tagen auch und somit verging die Zeit sehr schnell. Als wir dann etwa 2,5 Stunden unterwegs waren, wurde es sehr bergig und ich beschloss zum ersten Mal seit ich auf dem Jakobsweg unterwegs war, Musik zu hören, um mich abzulenken. Frank sagte ich, er könne ruhig weiter laufen, da ich wusste, dass er bei Bergen durchläuft und nicht wie ich immer mal wieder stehen blieb und verschnaufte. Irgendwo würden wir uns schon wieder treffen, dachte ich mir und so sollte es auch wenig später sein, aber dazu später mehr. 

Jedenfalls kam ich schließlich in einen Wald und die Wege führten tatsächlich steile, Felswege hinauf, die mit Sicherheit sonst kein "normaler" Mensch entlang laufen würde - außer der doofe Pilger natürlich *lach*. Es war so kräfteraubend, dass ich alle paar Meter stehen blieb, bis ich schließlich total erschöpft war und mitten im Hang auf einem großen Stein Platz nahm. Ich war total ausser Puste und musste weinen, aber ich musste mich an dieser Stelle für eine Sache entscheiden, denn weinen und schnaufen gleichzeitig war nicht möglich *lach*. Um mich herum standen lauter Bäume, deren Rinde man angeritzt und mit Beuteln versehen hatte. Ich vermutete, dass dort Harz aufgefangen wurde. Ich war nun um die 20 Kilometer an diesem Tag unterwegs und beschloss, nachdem ich mich wieder gefangen hatte, weiter zu gehen. Es blieb mir mitten im Wald auch kaum etwas anderes übrig. Einige Meter weiter kam ich dann mal wieder an einem dieser Gedenkstätten für Pilger vorbei, an denen Pilger Bilder von Verstorbenen, Pilgermuscheln oder bemalte Steine nieder legen können. Manche Dinge, die ich dort sah, rührten mich erneut zu Tränen. 

Schließlich ging es nun wieder steil bergab, heraus aus dem Wald in ein Dorf. Dort lagen am Wegesrand in Codecal ein paar Crocs, die Franks Crocs verdammt ähnlich sahen. Da ich aber nicht irgendwelche Schuhe auf Verdacht mit mir herum tragen wollte, rief ich Frank einfach an: "Hallo Frank, kann es sein, dass du deine Schuhe verloren hast?" - "Ähm nein, aber warte mal, ich gucke nach - ach ja, stimmt". Also befestigte ich Franks Schuhe an meinem Rucksack und traf ca. 3 Kilometer weiter wieder auf Frank, der seine Wäsche auf einer Mauer trocknete und sich wie immer seines Lebens freute *lach*. Wir liefen zusammen weiter und machten schließlich in Cerdal Halt. Die Sonne brannte und es war höchste Zeit für eine kleine Erfrischung. Gegessen hatten wir bislang auch eher wenig und wir hatten schon 27Kilometer hinter uns gelassen. In dem Café in dem wir einkehrten war ein schöner Hof und dazu gehörte eine Herberge. Eigentlich hätten wir auch dort bleiben können, aber das Ziel war Valenca und nur noch 8 Kilometer entfernt. Also aß ich dort eine super leckere Blumenkohlsuppe und trank eine eiskalte Cola. Wir schauten noch mal kurz in den Pilgerführer und waren wenig später wieder unterwegs bis wir die schöne Stadt Valenca erreichten, die innerhalb von Burgmauern gelegen war. Es wimmelte dort von Menschen, überall waren Geschäfte und ich war einfach nur total fasziniert von dieser Stadt. Leider so fasziniert, dass wir an der Herberge vorbei gelaufen sind und plötzlich schon die Brücke nach Tui sahen. Wir liefen ein klein wenig zurück und ich fragte einen Bauarbeiter nach der Herberge in Valenca und er sagte mir, dass wir dafür ca. 20 Minuten zu Fuß wieder zurück laufen müssten... Zurück war für mich aber nie eine Option und für Frank wohl auch nicht also schauten wir uns an und Frank sagte: "Nur ein Katzensprung" und somit war klar, wir werden zu den 33 Kilometern nochmal 3 Kilometer bis Tui dazu addieren und den im Buch beschriebenen "Nur ein Katzensprung" folge leisten. 

Der Gang über die Brücke, die Portugal und Spanien miteinander verbindet und gleichzeitig eine Zeitgrenze ist, war ein ganz komischer Moment für mich. Zum Einen, war ich insgesamt schon so weit gekommen, zum Anderen hatte ich niemals damit gerechnet eine so große Etappe zu laufen, da in meiner Recherche zu Hause bei so großen Etappen meist von sehr sportlichen Menschen die Rede war.

Zugegebenermaßen völlig kaputt kamen wir in der Herberge in Tui an. Die Herbergsfrau nahm unsere Pilgerpässe und Ausweise entgegen, schaute uns erstaunt an mit dem Worten: "From Ponte de Lima? No Bus?" und schüttelte uns schließlich zur Gratulation die Hände.

Und wir? Wir fühlten uns wie die Könige, zugegeben Könige, die von Kreuzzug kommen, aber Könige *lach*.

 

Diesmal war es das erste mal seit so vielen Tagen, dass wir uns einen Trockner zusammen gönnten, denn inzwischen war es 18 Uhr und unsere Sachen konnten unmöglich so schnell über Nacht noch trocknen. Mit einem riesen Hunger stürmten wir ein Restaurant, welches direkt an einer Straße in einer Kurve lag und die Autofahrer von draussen durchs offene Fenster grüßten. Das hat uns irgendwie beeindruckt *lach*. Nach dem Steak mit Pommes und Salat musste es natürlich für mich noch ein Schokoladenmouse sein zur Feier des Tages und schließlich, als wären wir noch nicht genug gelaufen, bummelten wir noch ein wenig durch die Stadt, bis ich schließlich in mein Bett fiel und sofort wie ein Stein schlief, obwohl jemand relativ laut schnarchte.

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