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Megamarsch Köln - Ich will und ich werde...

Da war es passiert... hatte ich mir doch vorgenommen, meine nächsten 100 Kilometer in 24 Stunden erst wieder im Juni 2020 zu laufen und dann auch zu schaffen, war ich nun doch Mitte/ Ende September für den Megamarsch Köln angemeldet.

Doch warum habe ich mich dazu entschieden?

Ich hatte über mein privates Facebookprofil die Veranstaltung mit interessiert markiert, worauf ich von der schwer kranken Frau meines Arbeitskollegen angeschrieben wurde, worauf ich warten würde... wir leben nur einmal... schrieb sie.

Diese Worte haben mich so nachhaltig beeinflusst, dass ich mich beinahe sofort angemeldet habe und ihr versprach, ICH WILL UND ICH WERDE diesmal nicht nur für mich laufen, sondern auch für sie. 


Die Zeit verging, ich hatte ein paar Wanderungen hinter mich gebracht, um im Training zu bleiben und schließlich war der Tag und ich war wie beim letzten Mal furchtbar aufgeregt, bis ich in einem Linienbus mit vielen anderen Megamärschlern Richtung Heider Bergsee stand. Ich hatte noch ein wenig Zeit, um auszuruhen, schrieb mit mir wichtigen Menschen Nachrichten und wurde kurz sentimental, weil ich an diesem Tag die Challenge meines Lebens bestritt und ich mir immer wieder im Geiste sagte ICH WILL UND ICH WERDE finishen. 

In Startgruppe 5 ging es für mich los mit dem Lied von Tim Bendzko "Hoch" und schließlich einem Ohrwurm. Ich marschierte mit einem rasanten Tempo von 6,8 km/h vorbei an vielen Wanderern, überholte welche aus anderen Startgruppen, denn mein Plan war es, möglichst weit vor Einbruch der Dämmerung zu kommen, da ich mit der Dunkelheit bekanntlich ein Problem hatte. 

 

Nach Kilometer 15 war die erste Verpflegungsstation (VPS) in Bornheim erreicht. Hier tummelten sich massenweise Wanderer. Ich wollte mich noch gar nicht so lange aufhalten, da ich noch keine Pause benötigte, musste mich aber für die Nacht umziehen und vorbereiten. Um ca. 19.30 Uhr ging es dann weiter mit Etappe 2. Der Sonnenuntergang tauchte die Welt in ein warmes orangenes Licht und je dunkler es wurde, desto stiller wurden die Wanderer. Wenn ich mich zwischenzeitlich umdrehte, sah ich eine menschliche Lichterkette, da schließlich fast jeder mit einer Stirnlampe seinen Weg leuchtete. 

An der Krombacher Powerstation machte ich keine Pause, sondern lief einfach weiter. Hier brachen schon einige ihren Marsch ab.  Als ich eine Weile vor mich her lief, an Wanderern vorbei zog, die Musik hörten, aber ansonsten sehr ruhig waren. Schließlich sprach mich jemand auf meine Jakobsmuschel an. Ein Vater um die 50 mit seinem Sohn um die 25. Über das Aussehen kann ich euch leider nichts sagen, denn in der Dunkelheit siehst du zwar Gestalten und sprichst mit ihnen, aber auch nicht mehr. Sie liefen relativ langsam, aber ich brauchte ein bisschen Unterhaltung ehe ich schließlich doch beschloss wieder mein Tempo zu laufen, da mir kalt wurde. Am Bahnhof Rheinbach saßen "Zuschauer" beim Lagerfeuerchen und jubelten allen zu, die den Weg passierten. das war ein sehr schönes und motivierendes Gefühl. Weiter ging es durch die Rheinbacher City, am Hexenturm vorbei, der in ein orangenes Licht getaucht war. Bis hier her hatte ich nun 40 Kilometer geschafft.

 

Nach Kilometer 42 war ich an VPS2 in Swisttal angekommen, auch hier war sehr viel los und sehr viele brachen ab. Ich wärmte und stärkte mich mit einer sehr salzigen, heißen Brühe, da es schon recht kalt war und solange ich lief, war alles gut durchblutet, aber in der Pause fror ich. Schließlich war ich wieder auf dem Weg mit wenigen anderen Menschen und brauchte sicherlich 20 Minuten, um wieder auf Betriebstemperatur zu kommen. Die kalte Luft ließ mich husten. Ein typischer Reizhusten, den ich immer bekam bei kalter Luft. Plötzlich streckte mir jemand ein Hustenbonbon entgegen, welches ich dankend annahm und diese Person gleich wieder in der Dunkelheit verschwand. Ich entschied nun meine offline geladenen Podcasts zu hören um mich ein wenig berieseln zu lassen und die weiteren Kilometer vergingen sehr schnell.

 

Bei Kilometer 55 bin ich an der zweiten Powerstation angekommen, an der es Joghurtdrinks gab, von denen ich einen trank und dann gleich weiter ging. Ab jetzt wurde es richtig bergig und steil. Schmale, steile holprige Wege mussten nun in der Dunkelheit bezungen werden und schließlich war ich bei Kilometer 60 in Antweiler angekommen. Etwa hier spürte ich hin und wieder ein nerviges zwicken am linken Aussenfuß, welches mich langsamer werden ließ. Am Sportplatz in Mechernich angekommen, schnürte ich meinen Schuh enger, nahm mir schließlich doch eine Tablette, pushte mich mit einem Booster und lief weiter, nachdem ich mich ganz kurz auf der Wiese langgelegt und die Beine nach oben gestreckt hatte - das tat sehr gut :-)

Zu dieser Zeit (6.30 Uhr) ging auch schon wieder die Sonne auf und das löste ein unglaubliches Glücks- und Motivationsgefühl in mir aus, da ich nun wusste, ich habe die ganze Nacht trotz Nachtblindheit überstanden. Es war so schön anzusehen, wie die Sonne die Erde in ein rötliches orange tauchte.

Ich war also wieder unterwegs und war mental und eigentlich körperlich fit - bis auf den Fuß. Die Wege waren teilweise sehr steinig und generell abwechslungsreich. 

 


"Die Leute fragen „Wie viel Extrameter gehst du?“
Ich fang' erst an zu zählen, wenn es weh tut
Fehler prägen mich, mach' mehr als genug
Bin zu müde für Pausen, komm' nicht dazu
Und wenn ich glaube, meine Beine sind zu schwer
Dann geh' ich nochmal tausend Schritte mehr"


Um 8. 30 Uhr war ich schon 70 Kilometer weit gekommen und freute mich natürlich wie jeck, denn ich war definitiv über meinen letzten eigenen Rekord von 66 Kilometern hinaus. 

 

"Kann das nächste Level nicht erwarten
Auch, wenn ich dann wieder keinen Schlaf krieg'
Meine Ausreden sind hartnäckig
Aber aufgeben darf ich nicht
Manchmal löst ein Abgrund in mir Angst aus
Doch ich geh' nicht zurück, ich nehm' nur Anlauf"


Um 10.15 Uhr war ich an der letzten VPS in Mechernich am "Klausbrunnen" angekommen. Hier hatte ich schließlich kaum noch Hunger und zwang mich regelrecht eine Banane zu essen. Irgendwie war kaum jemand noch richtig gesprächig. Ich setzte mich irgendwo ins Gras, wechselte mein T-Shirt und meine Socken und versuchte schließlich in meinen Crocs weiter zu laufen, die ich dann schnell wieder wegpackte, da ich 0 Halt darin hatte und der Fuß noch entsetzlichere Schmerzen sendete. 

 

Und immer mein Ehrgeiz und die Stimme in mir: ICH WILL UND ICH WERDE FINISHEN!!!

80 KILOMETER - Wahnsinn!!!!


"Auch wenn wir schon weit gekommen sind
Wir gehen immer weiter – hoch hinaus
Egal, wie hoch die Hürden auch sind
Sie sehen so viel kleiner von hier oben aus
Wenn dir die Luft ausgeht
Nur nicht nach unten sehen
Wir gehen immer weiter hoch hinaus
Immer, immer weiter hoch hinaus"


Ab jetzt wurde es nun wegen meines Fußes zur echten Qual, aber was sollte ich machen? Weit und breit war entweder Feld oder Wald und mich einfach hinsetzen und heulen war einfach nicht drin, also ging es für mich im Schneckentempo weiter. Ich lief nun mit einer älteren Frau, die durchaus meine Mutter hätte sein können zusammen. Das gemeinsame Gespräch, machten den Weg erträglich. Als es schließlich bergab ging, trennten sich unsere Wege, da sie längere Zeit brauchte und ich? Ich wollte endlich ankommen. 

Denn: ICH WILL UND ICH WERDE - FINISHEN!


Die letzten 10 Kilometer zogen sich wie Kaugummi...

noch eine Ibu,

noch einen Booster,

trinken,

weinen,

stehen bleiben,

weiterlaufen.

 

Hier war dann plötzlich ein Teamgeist zu spüren. Man machte sich gegenseitig Mut. 

Noch 5 Kilometer und man hörte schon, wie Finisher per Mikrofon ins Ziel gerufen bzw. angefeuert und gratuliert wurden - auf 5 Kilometer Entfernung!!!

Wisst Ihr was das für eine Qual war?

Und dann... war ich plötzlich in Nettersheim in der Stadt, noch 300 Meter bis ins Ziel. Meine Tränen konnte ich hier schon gar nicht mehr zurück halten, denn, ich würde es tatsächlich schaffen. Ich sah das Ziel, passierte den roten Zielteppich und war so unendlich erleichtert - und hatte kurzzeitig auch keine Schmerzen mehr. Die kühle Finisher-Fassbrause schmeckte vorzüglich und ich blieb einige Minuten einfach auf der Wiese sitzen oder legte mich, bevor ich mir meine Urkunde abholte. 


Der Weg mit dem Zug war entsprechend beschwerlich, aber ich habe nur die letzten 3 Kilometer ein Taxi gebraucht. Aber eins steht fest - ICH WILL UND ICH WERDE es wieder tun!

 


"Auch wenn wir schon weit gekommen sind
Wir gehen immer weiter hoch hinaus
Egal, wie hoch die Hürden auch sind
Sie sehen so viel kleiner von hier oben aus
Wenn dir die Luft ausgeht
Nur nicht nach unten sehen
Wir gehen immer weiter hoch hinaus
Immer, immer weiter hoch hinaus"

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