Ich wachse mit meinen Aufgaben und meinen Erfahrungen, wie jeder von uns. Immer wieder, wenn ich etwas überstanden oder geschafft habe, denke ich daran, wie es eigentlich hätte sein können oder ich vielleicht gar nicht mehr hier sitze und/ oder diese Zeilen je hätte schreiben können.
Warum?
Ich bin ein Kind mit einer gedeckten S p i n a B i f i d a oder auch N e u r a l r o h r d e f e k t genannt.
Zahlreiche Operationen habe ich durchgestanden, Folgeerkrankungen überlebt, etliche Narben zurückbehalten und meine Familie hat alles menschenmögliche getan, damit ich heute als erwachsene Frau, Mutter, Freundin, Tochter, Enkelin, Schwester... mit beiden Beinen selbstständig im Leben stehen kann. Oft höre ich die Worte meiner Oma, wie sie sagt, dass ich schon immer ein zähes Weib war und ich muss voller Stolz schmunzeln.
Ein zähes Weib...
und sie hat Recht, ich gebe selten auf und wenn, dann ist es eine verdammt gut durchdachte und kluge Entscheidung. Vermutlich habe ich als krankes kleines Würmchen damals schon gedacht: "Rollt den roten Teppich ein ich komme nicht, doch trockne die Tränen, deine Sense wird ganz nass. Irgendwann komm ich, mit einer guten Flasche Wein, doch die Zeit wähl´ ich selber, denn Düsseldorfer* dürfen das..." (Mit einem Fuß in Grab - Broilers).
Und ich habe mich durchgeboxt,
habe gekämpft,
weiße Kittel ertragen,
Ängste ausgestanden,
keine so unbeschwerte Kindheit dadurch genießen können und trotzdem sitze ich heute noch hier. Ich hätte querschnittsgelähmt, geistig behindert sein, einen künstlichen Ausgang haben können, aber ich habe zum Glück nur eine Skoliose und hin und wieder Nackenschmerzen zurück behalten. Diese Zeit so krank zu sein als Baby und Kleinkind, ist für mich selbst nicht so sehr greifbar, als es für meine Familie ist, dennoch bin ich dankbar.
Vor etwa 7 Jahren musste ich mit Bubbes wegen eines harmlosen, operativen Eingriffs ins Kinderkrankenhaus. Die kleine Bettnachbarin, war sicht- und hörbar sehr krank und in sämtlichen Bereichen behindert. Die junge Mutter kümmerte sich rührend um ihr Mädchen und wir kamen ins Gespräch. Ich erfuhr, dass sie ein Spina Bifida Kind ist und sie exakt genau das durchgemacht hatte, wie ich als Kind und plötzlich war alles so verdammt greifbar.
Ich sah mich in diesem Bett.
Den künstlichen Ausgang, der regelmäßig geleert werden musste, die PEG-Sonde, über die es Nahrung zugeführt bekam, die Inhalationsmaschine, weil sie eine Lungenentzündung hatte aufgrund ihres schlechten Immunsystems. Und trotzdem hatte dieses Mädchen eine unheimliche Stärke und liebevolle Art. Es war so krank, aber freute sich über kleinste Dinge.
Auch sie ist eine Kämpferin - ein zähes Weib!
Ich weiß leider nicht, wie es ihr heute geht, aber der Gedanke an sie begleitet mich sehr oft und macht mich dankbar für alles was in meinem Leben passiert, auch wenn es manchmal keine schönen Dinge sind und ich am Liebsten alles anschreien und hinschmeißen möchte. Es sind und bleiben Erfahrungen, die ich vielleicht nie hätte erleben können und ich danke meiner Familie für
- die Liebe,
- die Zuneigung,
- die Zeit,
- die schlaflosen Nächte,
- das Dunkelbier,
- die Pommes mit Schnitzel und dafür,
- dass sie mein Leben immer versuchten so schön wie nur möglich zu gestalten- bis heute.
Ich liebe Euch!
*Natürlich bin ich kein Düsseldorfer, aber wenn es das Lied nun mal so hergibt, dann mähste nix draan...
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Silke Enders (Donnerstag, 27 Dezember 2018 08:29)
Sehr bewegend geschrieben! Da sind mir echt die Tränen gekommen. Bleib, wie du bist. So lieben wir dich!
Sandrinchen (Donnerstag, 27 Dezember 2018 09:45)
Danke :-)
Karin (Samstag, 16 Februar 2019 10:41)
((()))