Als ich im Oktober 2017 wegen meiner Erschöpfungsdepression ein Rezept mit einem Psychopharmakon in der Hand hielt, wurde mir erstmals die Schwere meines Zustandes bewusst. Dennoch machten sich
Zweifel breit, weil ich als Arzthelferin ein gewisses Maß an Kenntnissen dieser Medikamente besaß.
War ich wirklich tatsächlich so krank?
Würde sich mein Zustand mit der Einnahme wirklich verändern positiv sowie auch negativ?
Würde ich, wie alle sagten, zunehmen?
Und wie lange würde ich von Tabletten "abhängig" sein müssen?
Fragen über Fragen gingen mir zusätzlich zu all dem anderen Chaos durch den Kopf.
Zudem muss ich heute sagen, viel schlechter hätte es mir nicht mehr gehen können, denn meine Liste an Beschwerden war so unerträglich lang:
- liegen bzw. sitzen bleiben wollen
- Musik musste aus sein
- bestimmte Lautstärkepegel waren unerträglich
- Gedächtnisschwäche
- bleierne Müdigkeit
- Kraftlosigkeit
- kein bzw. vermindertes Hungergefühl
- Kopf- und Nackenschmerzen
- Sehschwäche
- Gereiztheit
- Hyperventilation (1x)
- Ruhelosigkeit
- Zittern
- stechende Schmerzen in den Armen
- Ohrgeräusche
- ständiges weinen
- Muskelkrämpfe
- routinierte Vorgänge nicht mehr schnell erledigen können
- fettige Haut und Haare
- nicht sprechen wollen...
I c h w a r e i n W r a c k
und als ich dann ein paar weiter Tage so ohne Medikament vor mich hin vegetiert bin, nahm ich es dann doch, weil mich ständig zwei Fragen quälten:
- Wann hört das auf? und
- Wie soll es weiter gehen?
Interessanterweise merkte ich gleich einige Stunden nach der Einnahme eine Veränderung. Es war, als hätte mir jemand meine tiefschwarze Sonnenbrille ab gezogen und alles wurde "heller". Mit den
Tabletten fühlte ich mich in Watte gepackt und abgestumpft. Lief etwas trauriges im Fernsehen, konnte ich zwar die Trauer nachempfinden, aber es nicht spüren - folglich auch nicht weinen, wie ich
es sonst tat.
So gingen die Monate in die Erdbeerwelt, ich genoss ein gutes Coaching (einen Platz beim Psychotherapeuten auf die Schnelle zu bekommen war schier unmöglich) und fühlte mich schließlich oft zu
98% gut, bis ich mir wieder mal Gedanken machte, ob das nur aus der Kraft des Medikaments heraus geschah, dass ich stabil blieb, denn im Coaching hatte ich zwar viel gelernt, dennoch diese
Zweifel am Medikament. Ich fragte mich, ob ich mein Leben lang Psychopharmaka brauchen würde. Nach einem Selbstversuch das Medikament abzusetzen und einem gehörigen
Absturz; mein Coach nennt es Holzhammermethode :-D, begann ich, als ich mich wieder gefangen hatte, einen zweiten
Versuch - kontrolliert, ganz langsam. 5 Monate lang habe ich immer ein bisschen reduziert, bis von einer Tablette nur noch ein winziger Krümel von 1,25 mg übrig blieb und ich irgendwann wieder an
dem Punkt war: Brauche ich diesen Krümel überhaupt noch?
Ich war mir nicht 100% sicher und vertagte meine Entscheidung. Denn: Was hatte ich schon zu verlieren?
Seit November nehme ich nun kein Psychopharmakon mehr und durch das langsame Ausschleichen merkte ich Stück für Stück, wie meine ganzen Emotionen zurück kamen. Plötzlich konnte ich wieder bei
traurigen Filmen weinen oder aber es schossen mir Freudentränen in die Augen, wenn ich etwas besonders schön fand, da wusste ich:
I C H H A T T E E S G E S C H A F F T !
Alle Emotionen sind wieder da: Freude, Trauer, Schmerz, Liebe, Hass, Wut -
Ich fühle wieder und das macht mich unheimlich glücklich!
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